Haus Doorn, das Exil Kaiser Wilhelms II.
Im November 1918 glich Deutschland einem Tollhaus. Gewiss stand der weit überwiegende Teil des deutschen Volkes in seinem Herzen auf Seiten seines Kaisers. Aber die Abwesenheit der besten Männer draußen beim Heer oder in den Massengräbern, die entscheidende Rolle, die vorsichtig Daheimgebliebenen und den zahllosen Fahnenflüchtigen zu fiel, die völlig unerwarteten Ereignisse, die wie ein Donnerschlag hereinbrachen, die vergifteten Nachrichten, die die neue, durch Hochverrat und Meineid hochgekommene Regierung beim Volke auf allen Wegen zuführte, machten alle so bestürzt, dass jedes klare und gesunde Urteil, jedes tatkräftige Handeln verloren ging und eine beispiellose Verwirrung der Geister platz griff.
Jetzt, wo sich der Nebel ein wenig verzogen hat, muss man fragen: Wie war es nur möglich, dass sich das deutsche Volk von seinem Kaiser abwenden ließ, dem es sonst zugejubelt hatte, mit dem es in heller Begeisterung und einmütig in den Verteidigungskrieg hinaus gezogen war? War er denn dadurch, dass ein so ungeheures Unglück über ihn kam, ein schlechter Mensch geworden? War Siegfried, nachdem ihm am Quell im Odenwald der tückische Hagen den Speer von hinten ins Herz gestoßen hatte, nicht mehr der alte Held? Hätte den Kaiser nicht, wenn er, was um ein Haar geschehen wäre, siegreich geblieben wäre, ganz Deutschland und die ganze Welt als einen der größten Männer der Weltgeschichte gefeiert?
Hat nicht das Jahr 1914 Deutschland auf einer unvergleichlich höheren Machtstellung gefunden als bei seinem Regierungsantritt im Jahre 1888? Hat er uns nicht dreißig Jahre lang inmitten neidischer und übel wollender Weltmächte einen leuchtenden Weg geführt? War er nicht ein Mehrer des Reiches, der immer nur eines wollte: das ganze deutsche Volk einig und stark machen, dass es nicht wie früher und jetzt das Gespött seiner Feinde sei? Ist nicht unter seiner Führung die ungeheure Kraft des deutschen Heeres und der deutschen Flotte auf eine Höhe gebracht worden, die die Welt noch nach Jahrhunderten anstaunen wird? Und war er nicht bei alledem der größte Friedensfürst seiner Zeit, im Unterschied von Russland, England, Frankreich und den Vereinigten Staaten der einzige, der während seiner Regierungszeit nie sein Schwert gezogen hat, so verführerisch auch manchmal die Gelegenheit sein mochte? War er nach dem unglücklichen Ende des Krieges nicht mehr derselbe edle, ritterliche, offene Mann ohne Falsch, an dessen Sittenreinheit sich selbst der erfinderische Klatsch niemals gewagt hat? War er nicht vor allen Fürsten seiner Zeit mitten in einer materialistischen Zeit, die in ihrer mammonistischen Geld- und Genußsucht immer mehr in Gottlosigkeit versank, der Mann, der sich auf seinem weithin sichtbaren Platze bei jeder gebotenen Gelegenheit vor aller Welt zu Gott und seinem Heiland bekannte und sein Volk mit den ernstesten Tönen zur Gottesfurcht zurückrief?
Ja, ist denn alles ausgelöscht, dass wir ihm die Treue nicht mehr halten sollten? Selbst im Ausland kann man das nicht begreifen. Wie oft haben mir meine Freunde in Amerika fast wörtlich dasselbe geschrieben: „Nichts hat Deutschland hier so verächtlich gemacht wie seine erbärmliche Treulosigkeit seinem Kaiser gegenüber“. Gerade heute, wo ich dies schreibe, habe ich einen Brief aus Newark-New Jersey erhalten, in dem es heißt: „Ich bin seit vielen Jahrzehnten amerikanischer Bürger, aber mein Herz schlägt noch warm für mein altes Vaterland. Ich will in diesem Jahre Deutschland wieder besuchen, und ich will den Versuch machen, auch den großen Einsamen in Doorn zu sehen und ihm ein freundliches Wort zu sagen. An diesem Mann hat sich die ganze Welt schwer versündigt, und Deutschland am allermeisten. Niemals wäre es so in die Gewalt seiner Feinde gekommen, wenn der Kaiser geblieben wäre. Diese von der Sozialdemokratie künstlich gemachte Revolution war deshalb ebenso unsäglich dumm wie unnötig, weil sie das deutsche Volk um die Früchte seines vierjährigen Heldenkampfes gebracht hat. Ich halte von Republiken gar nichts. Wir haben hier in Amerika das schönste Beispiel davon. Dass Gott erbarm!“
Und ein anderer Amerikaner, der nach dreißig Jahren sein altes deutsches Vaterland besucht hat, Otto Kleine aus Philadelphia, schreibt in seinem prächtigen bei Wallmann in Leipzig erschienenen Büchlein „Nach dreißig Jahren“: „Gegen nichts muss ich mich innerlich so wehren wie gegen die Verachtung der Menschen, die von der Tragik dieses Menschenschicksals kaum einen Hauch verspürt haben. Ich habe immer gemeint und meine noch, dass vor dieser Tragik jeder die Empfindung haben müsse: das große Unglück adelt. Und was erlebten wir? Nie hat die Welt so das schonungslos aufdeckende Wort (Matthäus 15,19) des größten Menschenkenners über das Menschenherz bestätigt wie in dem Verhalten dieser Tragik gegenüber. Welche Flut von Schmutz ergoss sich durch die Zeitungen in das Volk! Sie beschmutzte nicht ihn, sie beschmutzte das Volk. Sie unterwühlte jedes sittliche Empfinden. Und keiner war da, der einen Damm dagegen errichtet hätte! Das sind gallenbittere Erinnerungen, die heute noch Ekel erregen.“
Immer das Beste für Land und Volk.
Der Kaiser selbst kann es nicht begreifen, dass sich sein Volk so gegen ihn verhetzen lassen konnte. Er sagt in seinem Buch „Gestalten und Erinnerungen“: „Wenn ich sehe, wie dieselben Leute, die mir früher in übertriebener Weise Weihrauch gestreut haben, mich heute mit Schmutz bewerfen, so kann ich höchstens ein Gefühl des Mitleids empfinden. Was ich aus der Heimat Bitteres über mich höre, enttäuscht mich. Gott ist mein Zeuge, dass ich immer das Beste für mein Land und mein Volk gewollt habe. Ich glaubte, dass jeder Deutsche das erkannt und gewürdigt hätte. Auch hier in der Einsamkeit fühle und denke ich nur für das deutsche Volk, wie ich durch Aufklärung und Rat bessern und helfen könnte. Auch herbe Kritik vermag niemals meine Liebe zu Land und Volk zu beeinträchtigen. Ich bleibe den Deutschen treu, ganz gleichgültig, wie sich die einzelnen zu mir stellen. Die, die sich aus ehrlicher Überzeugung gegen mich stellen, kann ich achten. Die anderen mögen sehen, wie sie vor Gott, ihrem Gewissen und der Geschichte bestehen.“
In seinem Buch „Wanderungen mit Wilhelm II“ berichtet Riemann folgende ergreifende Beichte des Kaisers: „Wenn ich eine Schuld bekennen soll, dann will ich wenigstens eine wahre Schuld bekennen. Ich bekenne mich schuldig, das Vaterland stets über meine Person gestellt zu haben; bekenne mich schuldig, dem Vaterland und dem Heer meine Person zum Opfer gebracht zu haben, sie der Schmach überhoben zu haben, ihren entthronten Kaiser dem Landesfeind ausliefern zu müssen; bekenne mich schuldig, die Verbannung dem freiwilligen Tode vorgezogen, ja mein Leben erhalten zu haben, um Zeugnis abzulegen wider diejenigen, die Deutschland des größten Verbrechens zeichnen, dass die Weltgeschichte je gesehen hat… Wie oft gehen mir die bitteren Worte Gregors VII durch den Sinn: Dilexi justitiam et odi inquitatem, propterea morior in exileo (Ich habe die Gerechtigkeit geliebt und das Unrecht gehasst, darum sterbe ich in der Verbannung)!“
Wir können nie vergessen, wie viel Dank wir dir schuldig sind!
Darauf antworten ihm alle Kaisertreuen in Deutschland: „Ja, Kaiser, das ist deine Schuld, deine einzige Schuld! Du leidest nicht um eigene Missetaten willen, sondern du leidest stellvertretend für dein Volk, das durch seinen Mammonsdienst und seine Gottlosigkeit die Gerichte Gottes auf sich herab gezogen hat. Dir aber, dem wir in den Tagen des Glücks die Treue gehalten haben, dir wollen wir sie in deinem Unglück erst recht halten. Wir wollen dir treu bleiben, nicht nur, weil wir dir als dem rechtmäßigen König von Preußen den Eid geschworen haben, von dem uns weder Gott noch Menschen entbunden haben, sondern weil wir dich lieb haben, weil wir aus innerster Überzeugung zu dir stehen und es wie unsere Väter mit dir halten wollen bis zum letzten Odemzug. Wir können nie vergessen, wie viel Dank wir dir schuldig sind. Wir sehen auch jeden Tag, was für eine Knechtschaft und was für erbärmliche Zustände wir unter der „Republik“ für die goldene Freiheit eingetauscht haben, deren wir uns in deiner Regierung erfreuten. Darum glauben wir auch, dass Deutschland nie und nimmer wieder zurechtkommt, als bis das ganze deutsche Volk seinen Kaiser wieder ruft.“
Aus den Kreisen Deutschlands in Nord und Süd, die so denken, stammen die Getreuen von Dorn, die die Umgebung des Kaisers bilden. Ich habe sie kennen gelernt, und das Herz schlägt mir höher, wenn ich an sie denke. Sie alle, hoch und nieder, sind wie eine große Familie, die sich fest um ihren Kaiser schart. Am schönsten kommt das zum Ausdruck in der Morgenandacht, die der Kaiser jeden Tag hält. Kurz vor 9 Uhr versammeln sich alle, die zum Hause gehören, Hofmarschall, Beamte, Gäste, Diener, Dienstboten, in der Eingangshalle. Punkt 9 Uhr erscheint der Kaiser. Er kommt in Joppe und hohen Schaftstiefeln, denn er hat schon über eine Stunde im Freien gearbeitet. Er tritt an das Evangelienpult aus Olivenholz von Jerusalem. Der Mann, der einst Millionen geboten hat, waltet jetzt seines Hauspriesteramtes, das in unserem Vaterlande leider so viele Hausväter nicht mehr üben und dadurch mit schuldig sind am Niedergang von Gottesfurcht und Frömmigkeit. Heiliger Ernst liegt auf seinen Zügen. Er beginnt: „Die Gnade und Wahrheit des Herrn waltet über uns in Ewigkeit. Gnade sei mit uns und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.“ Dann liest er aus dem vor ihm liegenden Buche die für den Tag bestimmte Andacht mit dem zugehörigen Gebet. Den Schluss bildet das Vaterunser, zu dem sich alle Anwesenden von ihren Plätzen erheben.
Vergessenes Heldenlied deutscher Treue.
Nichts bindet Menschen so fest zusammen wie gemeinsamer Glaube und gemeinsames Gebet. Das kann man auch in Doorn sehen. Aus dieser Wurzel wächst die Königstreue, die alle vom ersten bis zum letzten beseelt. Zwar einen amtlich angestellten Hofmarschall wie früher im Kaiserschloss gibt es in Doorn nicht mehr. Und doch fehlt es dem Kaiser nicht an Getreuen, die ihm diese Dienste leisten. Eine Anzahl königstreuer Männer, Generale, Admirale, ehemalige hohe Staatsbeamte, Leibärzte, haben sich untereinander verabredet, ihren Kaiser nicht zu verlassen und in bestimmter Reihenfolge je zwei Monate nach Doorn zu kommen. Freiwillig verlässt jeder Haus und Hof, Weib und Kind, und geht für zwei Monate zum Kaiser ins Ausland. Der freiwillige Dienst ehrt diese Männer mehr als die glänzendsten Titel und Orden früherer Zeiten. Da ist Exzellenz von Berg, Admiral von Rebeuer-Paschwitz, General Graf Finckenstein, Graf Moltke, General Gontard, Freiherr von Sell und mancher andere, alle unterstützt von dem treuen Hofrat Kogge, der mit seiner Gattin die Verbannung seines Herrn teilt. Alle tun ihren Dienst mit derselben Ergebenheit, Ehrfurcht und Hingabe, wie wenn der Kaiser noch auf der Höhe seines Glanzes und seiner Macht stünde. Deutschland soll sie nicht vergessen, diese Männer, deren Tun ein Heldenlied deutscher Treue ist.
Dieselben Gesinnungen fand ich auch beim Dienstpersonal. Es lag mir daran, auch die Stimmung der kleinen Leute kennen zu lernen. Ihr Urteil gibt sich noch rückhaltloser als das der großen. Bei ihnen allen ohne Ausnahme sprach sich eine begeisterte Hingabe an ihren kaiserlichen Herrn aus. Sie würden alle für ihn durchs Feuer gehen. Das katholische Dienstmädchen, dass mein Zimmer besorgte, sagte: „Wir sind alle glücklich, dass wir dem Kaiser dienen dürfen. Wenn er nicht so fromm wäre, könnte er sein schweres Schicksal nicht ertragen. Es ist sein fester Glaube, der ihn aufrecht erhält.“ Andere sagten mir: „Er ist so gut, so gut. Wenn wir morgens mit einem Auftrag durch den Park gehen, grüßt er jeden von uns schon von weitem. Für jeden hat er ein freundliches Wort. Keinen übersieht er, keinen vergisst er, auch den geringsten nicht. Wenn wir ihm einmal am Tage begegnen und ein Wort von ihm bekommen, so ist das für uns immer der schönste Augenblick des Tages. Wir richten uns selbst an ihm auf. Es ist nicht so, als ob es selbstverständlich wäre, dass wir ihm dienen, weil wir nun einmal bezahlt sind. Nein, er erkennt jeden Dienst mit freundlichen Worten wie eine ihm persönlich erwiesene Gefälligkeit an. Wenn die Deutschen wüssten, wie gut er ist, sie würden nicht so alberne Dinge von ihm glauben.“
Ja, so sind sie, die Getreuen von Doorn. Es war mir ein Erlebnis, unter ihnen zuweilen. Hier sah ich, was Königstreue ist. Ich hatte das Gefühl, dass hier in Doorn das Herz Deutschlands schlägt. „Nichts“, sagt der Kronprinz in seinem Buche, „trifft den Kaiser schwerer als Handlungen oder Unterlassungen, die er als Treubruch ansieht“. Er hat an Treubruch wahrlich genug zu schmecken bekommen. Aber die Getreuen von Doorn, denen er täglich ins Auge blickt, sagen ihm an unser aller Stadt: Wenn alle untreu werden, so bleib ich dir doch treu.
Versündigt euch nicht an euren Kaiser!
Das alles ging mir durch den Sinn, als ich im Juli 1926 auf dem Rückweg von Doorn wieder in meinem holländischen Eisenbahnwagen saß und über alles nachdachte, was ich erlebt hatte. Und ich hatte das Gefühl, dass ich das nicht für mich allein behalten dürfe. Auch andere sollen es wissen. Die meisten von denen, die einst beim Kriegsausbruch treu, ja begeistert zum Kaiser gestanden haben und jetzt an ihm irregeworden sind, konnten nur deshalb dahin gelangen, weil sie ehrlich geglaubt haben, was in Zeitungen und Büchern, vornehm ausgestatteten und schlecht gebundenen, tausendstimmig über ihn gelogen worden ist und noch immer gelogen wird. Da ist es Pflicht, dass jeder, der die Wahrheit kennt, auch der geringste, seine Stimme erhebt. Denn hier heißt es auch:
Wer die Wahrheit kennt und saget sie nicht,
Der ist fürwahr ein erbärmlicher Wicht!
Allen möchte ich zurufen: Versündigt euch nicht an euren Kaiser, indem ihr die nichtswürdige Lüge nachsprecht oder auch nur unwidersprochen lasst, als habe er sein Volk treulos verlassen! Er ist im Augenblick der furchtbarsten Entscheidung allein gelassen worden. Das ganze feindliche Ausland, die Heimat, die Reichsregierung, der Reichstag, die oberste Heeresleitung, alles rief ihm tausendstimmig zu: Geh, geh! Und als er sich nach furchtbarem Seelenkampf gegen seine innerste Neigung zu dem Entschluss durchgerungen hatte, nachzugeben und seinem Volke dies größte Opfer zu bringen, da schämen sich dieselben Leute nicht, ihm nach zurufen: Du hast deinen Fahneneid gebrochen, du bist geflohen!
Wahrlich, wenn er sich wie der alternde Friedrich der Große voll bitterer Menschenverachtung von seinem Volke innerlich abgewandt hätte, es wäre kein Wunder. Aber er hat das nicht getan. Er ist euch Deutschen treu geblieben. Er wird euch treu bleiben bis zum Tod. Und dies Heldentum der Treue ist ihm möglich geworden, weil er den stahlbeschlagenen Stab des Gottvertrauens auch im tiefsten und finstersten Tal nicht fortgeworfen, sondern fest in seinen Händen behalten hat.
So habe ich den Kaiser gefunden, ungebeugt, ungebrochen, groß, ehrfurchtgebietend. Und habe ich Ihnen schon früher in den Tagen seines Glanzes geliebt und verehrt, heute tue ich es noch hundertmal mehr und neige mich vor seiner Seelengröße.
Daran dachte ich, als ich von Doorn zurückfuhr. Und als ich dann die holländische Grenze überschritten hatte und das deutsche Land wieder sah, das, seit es den rechten Steuermann auf dem Reichsschiff verloren hat, in der grausamen Brandung der Weltgeschichte von einem Felsenriff zum anderen geschleudert wird, ein Spielball der um die Macht hadernden Reichstagsparteien, ein Spielball der lachenden feindlichen Mächte, da ging durch meine Seele das Gebet, das wir einst so oft an Königs Geburtstag gesungen haben:
Sammle um den Thron die Treuen,
Die mit Rat und frommem Flehen
Fest in deiner Streiter Reihen
Für des Landes Wohlfahrt stehen.
Baue um den Königsthron
Eine Burg, oh Gottes Sohn,
Sei du dem Gesalbten gnädig,
Segne, segne unseren König.
Und nun gehabt dich wohl, lieber Leser. Nicht oft bin ich aus-und eingegangen in der Fürsten Paläste, und immer nur als ein Gast, nicht als ein Zugehöriger. Aber das wenige, das ich gesehen und erfahren habe, hat mich doch oft an jenes Wort aus Schillers Braut von Messina erinnert:
Wohl dem, selig muss ich ihn preisen,
Der in der Stille der ländlichen Flur
Fern von des Lebens verworrenen Kreisen
Kindlich liegt an der Brust der Natur.
Denn das Herz wird mir schwer in der Fürsten Palästen,
Wenn ich herab vom Gipfel des Glücks
Stürzen sehe die Höchsten, die Besten
In der Schnelle des Augenblicks.
Gefüttert mit Herzeleid.
Sie sind nicht zu beneiden, die berufen sind, auf den Höhen der Menschheit zu wandeln. Das sehen wir auch bei den Fürsten, von denen ich in meinen „Königserinnerungen“ erzählt habe. Es ist wahr, was ein alter Spruch sagt: „Das Purpurkleid ist gefüttert mit Herzeleid“. Als unser preußischer König Friedrich Wilhelm III, der Urgroßvater unseres Kaisers, in seinen dunkelsten Tagen auf dem Grabmal der preußischen Herzoge im Dom zu Königsberg die Worte las: „Meine Zeit in Unruhe, meine Hoffnungen in Gott“, da seufzte er und sagte in seiner wortkargen Art: „Die Inschrift da – wie entsprechend meinem Zustand!“ Sein Sohn Friedrich Wilhelm IV klagte: „Die Wege der Könige sind tränenreich.“ und fügte hinzu: „Die Kronen sind von Gold. Sie lasten schwer auf Haupt und Herz.“
Und unser Gesangbuch stimmt ein, wenn es in den bekannten „Lobe den Herren, um meine Seele“ von Daniel Herrenschmidt sagt:
Fürsten sind Menschen, vom Weibe geboren,
Und kehren um zu ihrem Staub;
Ihre Anschläge sind auch verloren,
Wenn nun das Grab nimmt seinen Raub.
Weil denn kein Mensch uns helfen kann,
Rufe man Gott um Hülfe an,
Hallelujah. Halleluhjah.
Die Getreuen von Doorn.
Auszug aus „Unser Kaiser“ von Dr. Ludwig Schneller.
Erschienen 1929 bei Wallmann in Leipzig.
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