Juli 1866. Die zukünftige Ausrichtung Deutschlands wird im deutschen Bruderkrieg ausgefochten. Nach dem Sieg der preußischen Waffen über Österreich in der Schlacht von Königgrätz ist die Entscheidung gefallen, die ohnmächtige Zersplitterung der Staaten im Deutschen Bund wird einem neuen Bund, einem Bundesstaat unter der Führung Preußens weichen. Doch obwohl Österreich in Böhmen bereits vernichtend geschlagen, herrscht noch immer Krieg. Der Weg nach Wien und damit zur totalen Niederwerfung Österreichs steht den preußischen Truppen offen. Bitten um Waffenstillstand und Friedensvorschläge werden von den Diplomaten zwischen Wien, Paris, Petersburg, London und dem preußischen Hauptquartier abgearbeitet.
Derweil steht die siegreiche preußische Armee in Feindesland. In diesem Moment bestand die Hauptschwierigkeit in der Frage der Ernährung und Verpflegung der Truppen mit über 200.000 Soldaten, welche der Natur der Sache nach mit jedem Schritt vorwärts in Feindes Land immer mehr erschwert wurde. Dies war der Moment, der einmal mehr der ganzen Welt die sittlich-moralische Höhe Preußens und seiner Armee vor Augen führen sollte.
Auf dem gegnerischem Boden Böhmens war nur selten eine genügende Quantität von Lebensmitteln für die Armee aufzutreiben. Bei der Annäherung der Preußen suchten alle kaiserlich-österreichischen Behörden und großen Grundbesitzer das Weite, sodaß eine geordnete Verteilung größerer Requirierungen auf ausgedehnte Landstriche unmöglich und der gerade besetzte Bezirk vollständig ausgesogen wurde. Zugleich hatte eine vorausgegangene planmäßige Agitation den preußischen Truppen bei dem Volke einen entsetzlichen Ruf der Wildheit und Grausamkeit geschaffen. An vielen Orten flüchteten deshalb die Bauern mit Weib, Kind und Vieh in die Wälder, worauf dann die hungernden Soldaten in den leerstehenden Wohnungen schlimm genug hausten. Sonst war die Disziplin streng und das Betragen der Leute gegen die Einwohner musterhaft. So schrieb Bismarck seiner Frau am 9. Juli 1866 aus Böhmen:
Unsere Soldaten sind zum Küssen, todesmuthig, ruhig, folgsam, gesittet; mit leerem Magen, nassen Kleidern, nassem Lager, wenig Schlaf, abfallenden Stiefelsohlen, freundlich gegen Alle; kein Plündern und Sengen, sie bezahlen, was sie können und essen verschimmeltes Brot. Es muss ein tiefer Fond von Gottesfurcht im gemeinen Mann bei uns sitzen, sonst könnte das alles nicht sein.
Nun wird der eine oder andere Leser dieses Zeugnis des preußischen Chefdiplomaten und Ministerpräsidenten als parteiisch ablehnen wollen und deshalb möge die Aussage eines französischen Berichterstatters, des eifrigen Demokraten Vilbort, daneben stehen:
Seit der Überschreitung der Grenze bemerke ich bis unter die Mauern von Wien das edle Betragen der Preußen gegen die von Kriegsnot getroffene Bevölkerung. Kein Raub, keine Gewalttat; außer den amtlichen Requisitionen nahmen sie kein Stück Brot, kein Glas Wein oder Bier, ohne es bar zu bezahlen. Das gute böhmische Volk wollte seinen Augen nicht trauen.
Die Streitkraft des Gegners Österreich wurde als Hinderer der deutschen Einheit militärisch in die Schranken gewiesen, gegen das Volk aber herrschte Milde unter strenger Beachtung der preußischen Manneszucht.
Auch vier Jahre später, im deutsch-französischen Krieg von 1870/71, stellte die preußische Heeresleitung ihre sittlich-moralische Höhe durch Humanität im Kriege unter Beweis: Während der Belagerung von Paris hielt Preußen 1.500 Eisenbahnachsen mit Nahrung bereit, die für den Fall der Kapitulation von Paris umgehend der dortigen Bevölkerung zuhilfe kommen sollte. Man verzichtete aus diesem Grund seitens der Armeeführung sogar auf den Herantransport von schwerem Belagerungsgeschütz – die Eisenbahnkapazitäten waren wegen der vorgehaltenen Hilfsgüter erschöpft.
Quellen:
1) Heinrich von Sybel – Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. vornehmlich nach den preußischen Staatsacten, Fünfter Band, 1889, Seite 245.
2) Otto von Bismarck – Gedanken und Erinnerungen.
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